Der 14. September 2023 ist jetzt schon ein ‚historisches‘ Datum: Das EU-Parlament hat an diesem Tag einen entscheidenden Schritt gegen die Ausbeutung von Frauen in der Prostitution gesetzt, indem es mit deutlicher Mehrheit (234 pro-Stimmen, 175 dagegen) für eine Prostitutionspolitik gestimmt hat, die die Frauen unterstützt und entkriminalisiert sowie die Nachfrage und somit den Menschenhandel eindämmen soll.
Prostitution steht für Ausbeutung, schwere seelische und körperliche Gewalt, für Rassismus, Sexismus, Menschenhandel und organisierte Kriminalität. Um diesem humanitären Skandal ein Ende zu setzen, soll künftig das Nordische Modell Leitbild für eine europaweite Prostitutionsgesetzgebung werden. Dieses würde neben einem Sexkauf-Verbot in erster Linie die Bereitstellung von Unterstützungsangeboten und Alternativen für diejenigen bedeuten, die aus der Prostitution aussteigen wollen. Die deutsche Sozialdemokratin Maria Noichl, deren Bericht über die Regulierung der Prostitution in der EU, ihre grenzüberschreitenden Auswirkungen und die Konsequenzen für die Gleichstellung und die Frauenrechte Basis für die Entscheidungsfindung der Abgeordneten war, verweist auf Zahlen von OSZE und Europol, die „verdeutlichen, dass die Liberalisierung aller Facetten der Prostitution die Nachfrage schürt und den Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung anheizt. Demzufolge dienen legale Infrastrukturen, also Bordelle und Laufhäuser in Ländern wie Deutschland oder Belgien, als Deckmantel für organisierte Kriminalität.“ Rund 70 Prozent der Prostituierten in der EU sind Migrantinnen aus besonders prekären Verhältnissen. „Diese Menschen befinden sich nicht aus freiem Willen in der Prostitution, sondern aus purer Perspektiv- und Alternativlosigkeit“, so die Sozialdemokratin Maria Noichl. Dass die „selbstbestimmte Sexarbeit“ eine Mär ist, untermauerten auch zahlreiche Hearings mit aktiven “Sexarbeiterinnen”, ehemaligen Prostituierten, ForscherInnen, Sozialarbeiterinnen und VertreterInnen von NGO’s, ÄrztInnen und PolizistInnen, die im Vorfeld stattgefunden haben.
Die Initiative STOPP SEXKAUF fordert seit vielen Jahren das Nordische Modell, das auch Equality Model genannt wird, für Österreich. Allerdings vergebens, weil praktisch alle Parteien das neoliberale Lied der „selbstbestimmten Sexarbeit“ singen und die körperliche wie seelische Ausbeutung und die daraus resultierenden lebenslangen Verletzungen ausblenden. Dass sie durch ihre ignorante Haltung den Frauen gegenüber den Profit der Sexindustrie und der organisierten Kriminalität ankurbeln, scheint ihnen „wurscht“ zu sein.
Dementsprechend auch das Abstimmungsverhalten der österreichischen Abgeordneten im EU-Parlament: Eine einzige Abgeordnete, nämlich Evelyn Regner von der SPÖ und Vizepräsidentinnen des EU-Parlaments, hat sich solidarisch hinter die Frauen in der Prostitution gestellt und für den Entschließungsantrag ihrer deutschen Genossin Maria Noichl gestimmt. Alle anderen österreichischen SozialdemokratInnen haben sich der Stimme enthalten bzw. gar nicht abgestimmt. Ebenso haben sich die ÖVP-Abgeordneten der Stimme enthalten. Dafür aber haben die Freiheitlichen und die Grünen (außer Sarah Wiener, Enthaltung) gegen die Vision einer Welt ohne Prostitution gestimmt.