Am 16. Juli 2017 hat im israelischen Parlament eine  parteiübergreifende Allianz von Regierungs- und OppositionspolitikerInnen einstimmig Gesetzesentwürfe angenommen, die die Freierbestrafung und Aufstiegsprogramme für Prostituierte vorsehen. 

Dem vorausgegangen war allerdings ein zehnjähriger Kampf von Politikerinnen für das Nordische Modell, gestützt auf die langjährige Arbeit von AktivistInnen und einer wachsenden Zahl von Initiativen für eine Gesellschaft frei von Prostitution. An vorderster Front stand die von ATZUM – Justice Works gegründete Task Force on Human Trafficking (TFHT). Die Task Force rückte immer wieder die Sexkäufer in den Fokus, die die Geschäftsgrundlage für den Handel und das Vermieten menschlicher Körper bilden. Vor kurzem lancierte TFHT mit einer Gruppe von Studenten der Bezalel Academy of Arts and Design eine Videokampagne, in der Männer Zitate von Sexkäufern vorlesen. Sie stehen für sich.

Aliza Lavie, die auch Sprecherin des Knesset-Komittees zur Bekämpfung von Menschenhandel und Prostitution ist, erinnert daran, dass „von allen Themen, mit denen ich zu tun hatte, keines auf so heftigen Widerstand und aufgeheizte Stimmung stieß wie die Idee der Freierbestrafung.“ Alle – AbolitionistInnen sattsam bekannten – Mythen seien dagegen  bemüht worden.

Laut der Regierungsstudie „National Survey on Prostitution in Israel“ werden rund 12500 Menschen in Israel prostituiert – 95 % davon Frauen. 62% sind Mütter von Kindern unter 18 Jahren, 1500 sind minderjährig. 80 % würden sofort aussteigen, wenn sie könnten. Das Durchschnittsalter beim Einstieg in die Prostitution liegt zwischen 12 und 17 Jahren. Alleine im letzten Jahrzehnt fanden 59 Frauen als eine direkte Folge der Prostitution den Tod (Mord, Suizid, Überdosis, schwere Krankheit).

Die Gesetzesentwürfe sehen, je nach Schwere des Verbrechens, eine Geld- oder Gefängnisstrafe für Sexkäufer vor, wobei beim ersten Vergehen statt einer Geldstrafe der Besuch einer „John’s School“ möglich ist, eines Aufklärungskurses über die frauenverachtenden Hintergründe und Auswirkungen des Prostitutionssystems. Die Ausstiegs- und Rehabilitationsprogramme sehen aktive Unterstützung für Prostituierte vor, insbesondere im Bereich Wohnen, Gesundheit, Arbeit, Soziales und Juristisches. Außerdem sind die Schaffung einer nationalen Behörde gegen Prostitution und für die Unterstützung ihrer Opfer sowie öffentliche Aufklärungskampagnen vorgesehen.

Eine der NGOs, die schon jetzt Hilfe zum Ausstieg bieten, ist „Turning the Tables“. Ehemalige Prostituierte erhalten eine Ausbildung in Design und Schneidern und werden danach in einem der Studios in Haifa und Tel Aviv angestellt. „Wir bieten den Frauen soziale Unterstützung und Therapien, aber es ist der Prozess des Schaffens, der ihnen ihren eigenen Wert und ihre Möglichkeiten außerhalb der Prostitution zeigt: Sie kommen hierher und entdecken ihre Stärke, ihre Fähigkeiten, ihre Stimme“, sagt ihre Gründerin Lilach Tzur Ben-Moshe.

Eigenartig ist die geringe Resonanz der historischen Entscheidung des israelischen Parlaments in der österreichischen Presse. Es scheinen keine Artikel auf. Dabei ist das Nordische Modell schon Gesetz in Schweden, Norwegen, Island, Kanada, Frankreich, Irland und Empfehlung des Europarates und des Europäischen Parlaments. Wieder einmal hat nur die EMMA berichtet, was sonst verschwiegen wird. Ist dies bloß Zufall, oder spielen hier auch andere Gründe mit? Israel einmal nicht als Negativschlagzeile…

„Die Unterstützung für das Gesetz aus Politik und Zivilgesellschaft ist beispiellos“, sagt Aliza Lavie von der liberalen Partei Yesh Atid, „Ich bin sicher, dass Israel spätestens im nächsten Jahr der Riege fortschrittlicher Staaten folgt.“ Zitat aus: EMMA.

Weiterführende links:

http://tfht.org/blog/even-if-we-ignore-it-prostitution-exists-and-this-is-how-it-sounds/ – Aufklärungsvideos zur Entlarvung des Freier-Mythos

http://tfht.org/blog/  – Task Force on Human Trafficking

https://www.yotsrot.org/ – Turning the Tables